Den Gemeinderat bewegt derzeit die Frage, ob die Gemeinde Malsch gegen die erfolgte Festlegung von Vorranggebieten für Windkraft durch den Regionalverband Klage erheben soll, so wie es die Stadt Ettlingen bereits getan hat. Die Zeit drängt, denn die Frist zur Klageerhebung läuft am 06.08.2018 ab.
Aus diesem Grund hat Dr. Rico Faller von der Karlsruher Kanzlei Caemmerer Lenz bei der öffentlichen Gemeinderatsitzung am 26. Juni über die Notwendigkeit und die Erfolgsaussichten einer solchen Klage informiert.
Im Regionalplan der Regionalverbands Mittlerer Oberrhein, der 2017 in Kraft trat, wurde das auf Malscher Gemarkung liegende Gebiet Hohlberg/Sulzberg/Birkenschlag als Vorranggebiet festgelegt. Das Gebiet ist 136,4 ha groß, was der Größe von 192 Fußballplätzen entspricht.
Dr. Faller führte die rechtliche Bedeutung dieser Festlegung aus. Es stellte sich dabei heraus, dass diese mehrere gravierende Nachteile für die Gemeinde mit sich bringt und die Handlungsfreiheit der Gemeinde für die Zukunft in beträchtlichem Maße einschränkt. Im Einzelnen führte Dr. Faller als Folgen der Ausweisung des Vorranggebiets folgendes aus.
1. Die gemeindliche Selbstbestimmung ist ausgehebelt.
Es handelt sich dabei um ein Raumordnungsziel mit Bindungswirkung, so dass andere Nutzungen, die mit diesem Ziel nicht in Einklang stehen, für die Zukunft ausgeschlossen sind. Bei einer gemeindlichen Windkraftplanung gibt die regionalplanerische Fläche die Mindestfläche vor.
2. Eine Verspargelung mit Windkraftanlagen ist trotzdem möglich.
An die Festlegung der Vorranggebiete ist die Gemeinde gebunden und kann daher auf diesen Flächen zukünftig keine entgegenstehenden Nutzungen mehr planen, trotzdem ist eine Verspargelung der Landschaft durch weitere Windkraftanlagen abseits der Vorrangflächen nicht ausgeschlossen.
3. Windkraftprojektierern kann Artenschutz, Landschaftsschutz etc. nicht mehr entgegengehalten werden.
Ein weiterer Nachteil für die Gemeinde ergibt sich daraus, dass die Festlegung der Vorranggebiete sogar bindende Auswirkungen auf ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren hat. Dies bedeutet, dass bei der Genehmigung von Windkraftanlagen solche Aspekte nicht mehr zum Tragen kommen, die bereits in den Abwägungsvorgang bei der Festlegung der Vorrangflächen eingeflossen sind. Es kann also durchaus dazu kommen, dass der Artenschutz, der im Rahmen der Abwägung durch den Regionalverband nur unzureichend berücksichtigt wurde, auch am Ende bei einem Genehmigungsverfahren gar nicht mehr berücksichtigt wird. In jedem Fall wird die Gemeinde dann zunächst einmal nachweisen müssen, dass der Regionalverband sich mit den jeweiligen Sachverhalten noch nicht auseinandergesetzt hat, was im Zweifel nicht ganz einfach sein wird, müssten doch die Verantwortlichen dann erst einmal zugeben, schlampig gearbeitet zu haben – und wer wird das schon freiwillig tun?
4. Es droht die Verpflichtung der Gemeinde, Flächen für Windkraft zur Verfügung zu stellen oder sogar die Enteignung zu Gunsten der Windkraft.
Der BGH hat ausgeführt, dass eine Enteignung für Vorhaben zulässig ist, für das die notwendigen Genehmigungen und Gestattungen vorliegen, oder zweifellos erteilt werden. Diese Voraussetzungen liegen mit der Festlegung der Vorrangflächen vor.
5. Die Festlegung von Vorrangflächen ruft die Projektierer auf den Plan.
Die Erfahrung zeigt, dass Projektierer dort Anträge stellen, wo solche Flächen ausgewiesen werden und die Gemeinden sich nicht wehren. So könnte der Gemeinde Malsch – noch dazu wo der Nachbar Ettlingen sich gegen den Regionalplan wendet– drohen, dass Projektierer sich diese Flächen aussuchen, Anträge stellen, Druck ausüben und es Malsch dann bald so geht wie Straubenhardt und die Gemeinde einfach hilflos ausgeliefert ist, ohne die Möglichkeit noch selbst Einfluss zu nehmen. Mit den politischen Machtverhältnissen im Land und den Zielen der Landesregierung in Sachen Windkraft dürfte diese Gefahr in Zukunft noch wachsen.
Angesichts dieser gravierenden Nachteile empfiehlt Dr. Faller die Beschreitung des Klagewegs.
Bezüglich der Erfolgsaussichten der Klage verwies Dr. Faller darauf, dass die Regionalplanung einige Schwächen aufweist. Zum ersten liegt ein Verstoß gegen höherrangiges Unionsrecht vor, da das in der Vogelschutzrichtlinie festgelegte Tötungsverbot ausgehebelt wird. Zum zweiten hat der Regionalverband bei seiner Planung eine Referenzanlage mit völlig unrealistischen Werten zugrunde gelegt, was den gesamten Abwägungsvorgang fraglich macht. So ging er vom Rotordurchmesser einer Windkraftanlage von 82 Metern aus, wogegen bereits im Jahr 2015 in der Regel Anlagen mit Rotordurchmessern von 160 Metern gebaut wurden. Mit Einarbeitung in den Fall werden noch weitere Punkte hinzukommen. Synergieeffekte durch die Zusammenarbeit mit dem Rechtsanwalt der Stadt Ettlingen sind zu erwarten
Klar ist, dass – ganz unabhängig von den Erfolgsaussichten der Klage – durch ein konsequentes Vorgehen der Gemeinde Malsch eine klare Botschaft an etwaige Projektierer gesendet würde: Nicht mit uns!
Anzumerken bleibt, dass es nicht ausreicht, ein Urteil bezüglich des Kreuzelberges in Ettlingen abzuwarten. Sollte die Klage der Ettlinger Erfolg haben, bleibt nur der Kreuzelberg windkraftfrei. Die 136,4 ha große Windkraft-Fläche im Malscher Bergwald ist ohne eigene Klage ab dem 07.08.2018 nicht mehr angreifbar – selbst, wenn sich die Ausweisung im Nachhinein als fehlerhaft herausstellt.
Der Gemeinderat wird in öffentlicher Sitzung am 17.07. um 17 Uhr in Malsch oder am 24.07. um 17 Uhr in Sulzbach darüber entscheiden, ob der Klageweg beschritten wird.